Der Synodale Weg auf dem Weg zu einer deutschen Nationalkirche (4)

Quelle: FSSPX Aktuell

(4) die MHG-Studie

Die Würzburger Synode, die zwischen 1971 und 1975 stattfand, hat die Kirche in Deutschland bis in ihre Funktionsfähigkeit hinein geprägt, insbesondere über die Gemeinsame Konferenz, bei der die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) regelmäßig zusammenkommen. Dies ist eine Vorgehensweise, um diese Synode weiterzuführen, die den am 1. Dezember 2019 eröffneten „Synodalen Weg“ inspiriert.

Die Entscheidung, einen „Synodalen Weg“ in Gang zu bringen, wurde im Fahrwasser des Skandals der von Diözesan- oder Ordenspriestern an Minderjährigen begangenen Missbräuche getroffen. Ohne Unterlass wird dies von Kardinal Reinhard Marx wiederholt, der im März 2020 aus dem Amt des Präsidenten der Deutschen Bischofskonferenz schied. Doch es ist nötig, die Abfolge der Ereignisse zu untersuchen, um deren Entstehung zu verstehen.

Die MHG-Studie

Im Anschluss an die Sittlichkeitsskandale, die die Kirche in Deutschland erschüttert hatten, wurde Forschern der Universitäten von Mannheim, Heidelberg und Gießen (daher das Kürzel „MHG“) ein interdisziplinäres Forschungsprojekt anvertraut. Geleitet von Harald Dreßing, einem forensischen Psychiater, arbeitete die Studiengruppe vom 1. Juli 2014 bis zum 24. September 2018, indem sie Datenmaterial auswertete, das von 27 deutschen Diözesen bereitgestellt worden war.

Das Ergebnis wurde in einem 350-seitigen Bericht festgehalten und fasste die Bemühungen von Fachleuten aus der Kriminologie, der Psychologie, der Soziologie und der rechtsmedizinischen Psychiatrie zusammen. Es gibt eine von der DBK herausgegebene und in mehrere Sprachen übersetzte 15-seitige Zusammenfassung. Das Ziel dieser Studie bestand darin, „die Häufigkeit des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger (…) zu ermitteln, die Formen sexuellen Missbrauchs zu beschreiben und kirchliche Strukturen und Dynamiken zu identifizieren, die das Missbrauchsgeschehen begünstigen könnten“ (hervorhebende Kursivschreibung durch uns). Dieser Punkt ist entscheidend.

Ein großer Teil der Studie ist der Analyse der an Minderjährigen begangenen Verbrechen und Vergehen gewidmet. Sodann weist ein Kapitel mit Empfehlungen auf die Grundzüge hin, die heute den Synodalen Weg inspirieren. Die Bischöfe mussten für diese Ratschläge die Kleinigkeit von 1.089.312,50 € (ohne Mehrwertsteuer...) ausgeben.

Die infrage gestellte Struktur der Kirche

Die von den deutschen Bischöfen beauftragten Experten sind der Meinung, dass das Problem zuerst struktureller Art sei, und dass infolgedessen die dafür verantwortlich gemachte Funktionsweise der Kirche verändert werden muss: „Die Untersuchungsergebnisse machen deutlich, dass es sich beim Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker der katholischen Kirche nicht nur um das Fehlverhalten Einzelner handelt, sondern dass das Augenmerk auch auf die für die katholische Kirche spezifischen Risiko- und Strukturmerkmale zu richten ist, die sexuellen Missbrauch Minderjähriger begünstigen oder dessen Prävention erschweren.“

Die MHG-Studie zielt im Grunde genommen auf die Moral der Kirche selbst: „Die Studienergebnisse machen es aber notwendig, sich damit zu beschäftigen, welche Bedeutung den spezifischen Vorstellungen der katholischen Sexualmoral zu Homosexualität im Kontext des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen zukommt. Die grundsätzlich ablehnende Haltung der katholischen Kirche zur Weihe homosexueller Männer ist dringend zu überdenken. (…) Anstelle solcher Haltungen ist eine offene und toleranzfördernde Atmosphäre zu schaffen. Erkenntnisse der modernen Sexualmedizin müssen dabei stärkere Berücksichtigung finden.“ Auch gegenüber den schändlichen Leidenschaften und den himmelschreienden Sünden?

Als Tüpfelchen auf dem i greift die Studie schließlich die priesterliche Amtsgewalt an: „Eine Änderung klerikaler Machtstrukturen erfordert eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Weiheamt des Priesters und dessen Rollenverständnis gegenüber nicht geweihten Personen. Dabei darf es nicht bei Lippenbekenntnissen der Kirchenverantwortlichen bleiben. Die Sanktionierung einzelner Beschuldigter, öffentliches Bedauern, finanzielle Leistungen an Betroffene und die Etablierung von Präventionskonzepten und einer Kultur des achtsamen Miteinanders sind dabei notwendige, aber keineswegs hinreichende Maßnahmen. (…) Solche grundsätzlich positiven Ansätze [sind] sogar geeignet, klerikale Machtstrukturen zu erhalten, da sie nur auf Symptome einer Fehlentwicklung abzielen und damit die Auseinandersetzung mit dem grundsätzlichen Problem klerikaler Macht verhindern“.

Die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im September 2018 in Fulda

Bei ihrer jährlichen Versammlung befassten sich die deutschen Bischöfe mit der MHG-Studie. Unverzüglich trafen sie Beschlüsse in Bezug auf die Prävention, die Handhabung der Personalakten, die Entschädigung der Opfer, aber auch hinsichtlich der Ausbildung in den Seminaren und Diözesen. In ihrer Pressemeldung fügten sie den folgenden Absatz hinzu, der den Synodalen Weg im Keim enthält:

„Die für die katholische Kirche spezifischen Herausforderungen wie die Fragen nach der zölibatären Lebensform der Priester und nach verschiedenen Aspekten der katholischen Sexualmoral werden wir unter Beteiligung von Fachleuten verschiedener Disziplinen in einem transparenten Gesprächsprozess erörtern.“

Sechs Monate später gipfelte der Prozess in einem ausgereiften Projekt des mit (Mitarbeitern aufgeblasenen) Sekretariates der Deutschen Bischofskonferenz.

Die Vollversammlung in Lingen

Zwischen zwei Sitzungen hielt die Deutsche Bischofskonferenz am 13. März 2019 einen Studientag im niedersächsischen Lingen ab. Dabei ging es um „Die Frage nach der Zäsur – zu übergreifenden Fragen, die sich gegenwärtig stellen“. Der Studientag wurde von vier Referenten moderiert, die die zu erreichenden Ziele in Übereinstimmung mit den drei bereits in der MHG-Studie vorgestellten und von den Bischöfen wieder aufgegriffenen Schwerpunkten offenlegten.

Die Kirche und die beschuldigten Geistlichen

Julia Knop, Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, äußerte sich so: „Sie haben sich heute drei Themen auf die Tagesordnung gesetzt (…): Macht in der Kirche, Zölibat als verpflichtende priesterliche Lebensform und kirchliche Sexualmoral. Die MHG-Studie hat systemische Risiken der Institution katholische Kirche, also spezifisch katholische Faktoren, identifiziert, die solche Gewalt, solchen Amtsmissbrauch von Klerikern begünstigen und seine Ahndung erschweren“. Für sie besteht hier ein unabdingbarer Zusammenhang: „Macht – Zölibat – Sexualmoral: Keines der drei Themen, mit denen Sie sich heute beschäftigen, ist neu. Aber neu ist, dass ihr destruktiver Zusammenhang nicht mehr zu leugnen ist“.

Philipp Müller, Priester seit 1991 und Professor für Pastoraltheologie in Mainz, stellt sich die Frage nach der Lebensform des Priesters heute und hebt dessen Einsamkeit, seine Nöte und seine Arbeitsüberlastung hervor. Er empfiehlt die Weihe von viri probati, von verheirateten Männern mittleren Alters. Dabei gehe es darum, über 50-jährige Männer auszuwählen und ihnen priesterliche Aufgaben in eingeschränkter Form zu übertragen – eine Art Zwischenglied zwischen dem verheirateten Diakon und dem Priester.

Professor Gregor Maria Hoff, der Fundamentaltheologie an der Universität Salzburg lehrt, sprach die „Sakralisierung der Macht“ an. Sein Vortrag behauptete, die Existenz einer „Sakralisierungsfalle“ aufzuzeigen, deren Opfer die religiöse Autorität im Allgemeinen, insbesondere aber das Priestertum und die Kirche seien. Kardinal Marx fasste es folgendermaßen zusammen: „Die Macht der Religion wird dabei im Zeichen der Sakralität auf ihre Vermittler [die Priester] abgeleitet. Es entsteht ein Kreis der Eingeweihten, der seinen behaupteten Machtanspruch immunisiert und für den eigenen Statuserhalt instrumentalisiert“. Entscheidend seien daher „die Aspekte der Teilung und der klar geregelten Kontrolle von Macht (…). Hier besteht ein erheblicher Entwicklungsbedarf der kirchlichen Strukturen, den wir weiter angehen.“ Papst Franziskus, der den Klerikalismus als die Ursache aller Übel anprangert, würde sich in einer derartigen Betrachtung sicher wiederfinden.

Die unter Anklage stehende katholische Moral

Schließlich griff Eberhard Schockenhoff, Professor für Moraltheologie in Freiburg, die Sexualmoral der Kirche an. Sein Vortrag machte eine tiefe Verachtung der geoffenbarten Moral, der vollkommenen evangeliumsgemäßen Moral deutlich, wie sie von der Kirche allezeit verteidigt wurde. Dieser Theologe, der Priester (!) ist, beginnt mit einem Angriff auf den heiligen Augustinus: „Mit der Annahme, die Korruption der menschlichen Natur durch die Erbsünde werde auf dem Weg der fleischlichen Zeugung an die Nachkommen weitergegeben, entwirft Augustinus ein vergiftetes Bild der Sexualität.“ Dann glaubt er „Ungereimtheiten und Widersprüche seines Denkens“ aufzudecken: „Denn wie können Eltern, die durch die Taufe vom Makel der Erbsünde reingewaschen sind, diesen im Zeugungsakt dennoch an ihre Nachkommen weitergeben?“ Das Wesen der Erbsünde könnte man nicht besser leugnen – oder auch missachten. Es ist nichts anderes als die Häresie des Pelagius und die Leugnung der Weitergabe der Erbsünde seit Adam auf alle Generationen, wie es doch von der Heiligen Schrift geoffenbart wurde (vgl. Röm 5,12).

In dieser seiner Logik plädiert Schockenhoff für eine regelrechte Reform der Moral, die die Preisgabe der früheren Moral voraussetzt, die als veraltet und ungeeignet angesehen wird. Die neue Moral muss „eine offenere Adaption ihrer Einsichten auf den Wandel der Lebensverhältnisse und die geänderten humanwissenschaftlichen Einsichten in den Sinn der menschlichen Sexualität“ widerspiegeln. Bedeutet dies, dass Freud oder seine modernen Epigonen das über die Moral schon länger wissen als der heilige Augustinus?

Der Referent behauptet folglich, dass, auch wenn „die monogame, auf Dauer eingegangene und mit dem festen Willen zur lebenslangen Treue geschlossene Ehe der beste biographische und institutionelle Rahmen [ist], innerhalb dessen menschliche Sexualität ihren optimalen Entfaltungsraum finden kann“, dies doch nichts an dem Folgenden ändere: „Um dem Vorwurf glaubwürdig entgegentreten zu können, dadurch würden gleichgeschlechtliche Personen (…) diskriminiert, bedarf es allerdings einer vorbehaltlosen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften und des Verzichts darauf, die in ihnen gelebte sexuelle Praxis moralisch zu disqualifizieren“. Wie kann ein Priester Jesu Christi in Gegenwart von Bischöfen als Nachfolger der Apostel einen Standpunkt einnehmen, der das Laster und die Sünde rechtfertigt und legitimiert? Und sagen, dass er seit 30 Jahren Moraltheologie lehrt…

Die Bekanntgabe des Synodalen Weges durch Kardinal Marx

Am Ende dieser Vollversammlung der DBK erinnerte Kardinal Marx in einer Pressekonferenz an die seit dem MHG-Projektstart durchgeführten Maßnahmen, aber auch an seine Teilnahme im vergangenen Februar am Missbrauchsgipfel im Vatikan. Sodann kündigte er ein Sonderverfahren an, dass eine Antwort auf die von den Referenten aufgeworfenen Probleme sein soll:

„Die Kirche in Deutschland erlebt eine Zäsur. (…) Die Kirche braucht ein synodales Voranschreiten. (…) Die Würzburger Synode (1972 bis 1975) und auch der Gesprächsprozess der vergangenen Jahre haben den Boden bereitet, auch für viele Herausforderungen von heute. Einstimmig [was nicht stimmt] haben wir beschlossen, einen verbindlichen synodalen Weg als Kirche in Deutschland zu gehen, der eine strukturierte Debatte ermöglicht und in einem verabredeten Zeitraum stattfindet und zwar gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Wir werden Formate für offene Debatten schaffen und uns an Verfahren binden, die eine verantwortliche Teilhabe von Frauen und Männern aus unseren Bistümern ermöglichen. Wir wollen eine hörende Kirche sein.“

Drei Foren wurden eingerichtet, um die folgenden Themen zu diskutieren: „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“; „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“; „Priesterliche Existenz heute“. Zwei Monate später wurde ein weiteres Forum etabliert, das dem Platz der Frauen in der Kirche gewidmet ist: „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“.

Der „Synodale Weg“, der vor wenigen Monaten eröffnet wurde, basiert auf revolutionären Prämissen. Die Kirche „hört“ im Namen ihrer Hierarchie auf das Volk Gottes, um sich zu reformieren, indem sie ihre göttliche Verfassung, insbesondere ihre priesterliche Amtsgewalt, aber auch ihre Moral und ihre Verkündigung infrage stellt. Die vorgeschlagenen Lösungen kommen niedrigen, naturalistischen und pelagianischen menschlichen Vorstellungen gleich. Der Synodale Weg setzt die Dynamik der Würzburger Synode fort, die das Zweite Vatikanische Konzil in die Kirche von Deutschland implantieren wollte. Dies ist ein teuflischer Prozess, der nicht damit aufhört, den Glauben, die Moral und die katholische Kirche selbst zu zerstören. Auf die Gefahr hin, den Weg zu einem Schisma in der wahren Kirche zu eröffnen.

Fortsetzung folgt…