In Frankreich verliert der Katholizismus stark an Bedeutung

Quelle: FSSPX Aktuell

In der Zeitung La Croix vom 23. Mai 2023 befasst sich der Religionshistoriker Guillaume Cuchet mit der im April vom Institut national de la statistique et des études économiques (Insee) veröffentlichten Erhebung „Trajectoires et origines“, kurz Téo 2, die Daten für die Jahre 2019-2020 enthält und vergleicht sie mit Téo 1, die Daten für die Jahre 2007-2008 enthielt.

Die Erhebung betrifft nicht die Gesamtbevölkerung, sondern die Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen, das heißt an Personen, die nach 1960 geboren wurden. In dieser Altersgruppe sind Personen vertreten, die entweder nur wenig religiösen Hintergrund haben oder einen Migrationshintergrund aufweisen. 

Auffällig: Akzentuierung der in Teo 1 festgestellten Trends 

Ein Faktor ist bemerkenswert und neu, nämlich das starke Wachstum der evangelikalen Protestanten. Fünf Trends, die in der ersten Teo 1-Studie festgestellt wurden, verstärken sich jedoch. 

Zunächst der Anstieg der gezeigten Religionslosen, die mit 53 Prozent nun mehr als die Hälfte der Gruppe ausmachen. Dies ist die Fortsetzung des „Ausstiegs aus der Religion“, eines Prozesses, der „seit dem 19. Jahrhundert von den Theoretikern der Säkularisierung, von Auguste Comte bis Marcel Gauchet“ beschrieben wird. 

Zweitens der Rückgang des Katholizismus „von 43 auf 25 Prozent, was einer Halbierung innerhalb von zwölf Jahren entspricht“. Der Autor merkt an, dass „die „Krise des sexuellen Missbrauchs in der Kirche“ das Phänomen verstärkt, aber nicht geschaffen hat“. Er zögert nicht, von einem Zusammenbruch zu sprechen, ohne dass sein Ende absehbar ist. 

Der starke Anstieg der „anderen Christen“, insbesondere der evangelikalen Protestanten, stellt den dritten Trend dar.  

Der Anstieg der Muslime von acht auf elf Prozent kennzeichnet den vierten. Dieser Anstieg ist eher auf die Dynamik der muslimischen Gemeinschaft als auf Konversionen zurückzuführen. 

Der letzte Trend ist „der zunehmend identitätsstiftende und inbrünstige Charakter des Judentums“. Es ist, so der Autor weiter, „in vielerlei Hinsicht die ‚identitätsstiftendste‘ Religion Frankreichs“, wenn man der Umfrage glauben darf. Der Buddhismus bleibt mit 0,5 Prozent stabil. 

Die Triebkräfte des religiösen Wandels in Frankreich 

Die Einwanderung „spielt eine immer größere Rolle“, meint Guillaume Cuchet, „sowohl weil sie mit über zehn Prozent Einwanderer massiv bleibt, als auch, weil die Kerngruppe der französischen Gesellschaft ohne Migrationshintergrund, die häufig katholischer Herkunft ist, zunehmend säkularisiert wird.“ 

Auch die spirituelle Reproduktionsrate der Gruppen, die ihre Fähigkeit darstellt, „ihre Überzeugungen an die nächste Generation weiterzugeben" ist in dem Zusammenhang gewichtig. Sie hängt „mit der Identitätsdimension und der Inbrunst“ zusammen: Am besten ist sie im Islam (91 Prozent), am schlechtesten im Katholizismus (67 Prozent), ähnlich bei den Evangelikalen (69 Prozent). 

Die Wirksamkeit des Proselytismus, das heißt die Fähigkeit zur Bekehrung, ist eine treibende Kraft. Sie ist vor allem bei den Evangelikalen gegeben, während der Islam dazu neigt, „sich auf die Identitätsumwandlung von Bevölkerungsgruppen muslimischer Herkunft zu spezialisieren“. Das Wachstum der Evangelikalen hängt auch mit der Einwanderung aus Afrika zusammen. 

Und zu guter Letzt ist die ungleiche demografische Dynamik der Gruppen zu nennen, die sich vor allem in der zweiten Generation bemerkbar macht, da die dritte Generation dazu neigt, sich den französischen Praktiken anzugleichen. 

Schlussfolgerung 

Im Jahr 1872 bezeichneten sich 97 Prozent der Franzosen als katholisch, eine Zahl, die bis 1960 in etwa konstant blieb. Heute sind es nur noch 25 Prozent, wobei der Weg nach unten noch nicht beendet ist. 

Der Autor kommt zu dem Schluss: „Unter diesen Umständen ist es nicht sicher, dass der Katholizismus noch lange die wichtigste Religion des Landes bleiben wird. (...) Er könnte auf den zweiten oder sogar dritten Platz abrutschen (...). Ein angekündigter Abstieg, der seltsamerweise in der Kirche kaum Kommentare hervorruft, als ob die Bischöfe, von der Krise des sexuellen Missbrauchs betäubt, nur noch stumm und hilflos dem Zusammenbruch beiwohnen könnten.“ 

Diese interessante und für die Zukunft des Katholizismus in Frankreich erschreckende Analyse vernachlässigt ein entscheidendes Element, das jedoch in den Zahlen zum Ausdruck kommt: Der sichtbare Beginn des Absturzes fand in den 60er Jahren statt, den Jahren des Zweiten Vatikanischen Konzils. 

Wenn, wie der Autor sagt, „jüdische und muslimische Familien ihre Religion besser weitergeben als katholische Familien“, dann ist der nachkonziliare Katholizismus verfälscht. Er muss zunächst gereinigt werden und seine Kraft in den Seelen wiedererlangen, indem er aus den lebendigen Quellen der Tradition schöpft. Bekehrung kann nicht dadurch erreicht werden, dass man die von Christus gestellten Anforderungen verringert, ganz im Gegenteil.