Der Sudan am Rande des Abgrunds

Quelle: FSSPX Aktuell

Flüchtlinge kommen im Südsudan an

Der Konflikt in dem afrikanischen Land, der zunächst eher unbedeutend war, hat sich in einen offenen Krieg verwandelt. Nach einem schon unzählige Male vereinbarten und nicht eingehaltenen Waffenstillstand gehen die Bombardements und Kämpfe weiter, die hauptsächlich die Hauptstadt Khartum und die Region Darfur betreffen. Sie weiten sich aber von Woche zu Woche auf andere Gebiete des Landes aus.

Den Vereinten Nationen zufolge gerät der Sudan in eine Situation, die „die gesamte Region destabilisieren könnte.“ Es gibt bereits mehr als 3.000 Tote, zahlreiche Verletzte und es häufen sich Gerüchte über wiederholte Gewalt gegen Frauen. Fast alle Krankenhäuser sind geschlossen. Es mangelt an Wasser, Lebensmitteln und Strom. 

Katastrophe und Flucht der Bevölkerung 

Der im ganzen Land herrschende Terror hat den Sudan zu einem Ort der verzweifelten Flucht gemacht. Vor dem Krieg war er einer der Staaten, der etwa 1,1 Millionen Flüchtlinge aus seinen Nachbarländern aufnahm. Schätzungen zufolge gibt es mehr als 2,8 Millionen Menschen, die durch den Konflikt vertrieben wurden, davon 2,2 Millionen innerhalb des Landes und mehr als 700.000 außerhalb der Grenzen. 

Zu den Ländern, die am stärksten von dieser Flucht betroffen sind, gehört neben Ägypten, das 255.000 Flüchtlinge aufgenommen hat, und dem Tschad mit über 230.000 aufgenommenen Flüchtlingen auch der Südsudan, ein kleines, junges Land (seit 2011 unabhängig), das bereits von humanitären Krisen und Konflikten belastet ist. Denn rund 150.000 Flüchtlinge, die aus dem Sudan geflohen waren, sind bereits im Südsudan angekommen. „Innerhalb kürzester Zeit ist in unserer Region eine enorme Notsituation entstanden“, erklärt Schwester Elena Balatti, Comboni-Schwester und Leiterin der Caritas in Malakal, der Hauptstadt des Bundesstaates Upper Nile, dem Grenzgebiet und dem unmittelbarsten Zugangspunkt für diejenigen, die aus Khartum kommen, dem Fidesdienst.  

Sie fügt hinzu: „Es handelt sich vor allem um Südsudanesen, die zu verschiedenen Zeiten nach Khartum geflohen sind, vor der Unabhängigkeit, während des Bürgerkriegs (2013-18), nach politischer und sozialer Instabilität oder den jüngsten ökologischen Notsituationen. Sie kehren trotz anhaltender Umweltprobleme, Überschwemmungen und interethnischer Auseinandersetzungen in ihre Heimatregionen zurück. Dieser plötzliche und massive Zustrom verschärft eine ohnehin schon schwierige Situation. Leider sind die Spannungen des Bürgerkriegs immer noch präsent und führen weiterhin zur Flucht vieler Menschen und zu Binnenvertreibungen, zu denen diese Ströme nun noch hinzukommen. Vor ein paar Tagen sind innerhalb kürzester Zeit etwa 3.000 Menschen aus dem Sudan angekommen.“ 

Vor dem Sudankrieg waren Flüchtlingshilfsorganisationen, NGOs und Hilfsorganisationen im Südsudan unter prekären Bedingungen tätig. Die aktuelle Situation stellt sie vor noch größere Herausforderungen, da ethnische Gruppen, die im Sudan Zuflucht gesucht hatten, nun dringend fliehen müssen, um ihr Leben zu retten. 

Die Verwaltung ist sehr schwierig und erfordert eine große logistische Kapazität und große Mengen an lebensnotwendigen Gütern. „Die IOM (Internationale Organisation für Migration)“, berichtet Schwester Elena, „tut ihr Bestes, ebenso wie kleinere Organisationen wie unsere Diözesancaritas, aber die Situation wird jeden Tag komplizierter. 

Neben den Südsudanesen kommen auch Sudanesen und viele Eritreer. Im Gegensatz zu Ägyptern oder Europäern, deren Botschaften ihren Landsleuten die Flucht erleichterten oder Flüge organisierten, ist die Situation für sie anders: Niemand will nach Eritrea zurückkehren, und Asmara hat keinerlei Anstrengungen unternommen, um ihnen zu helfen. 

Die zurückkehrenden Südsudanesen lebten meist in Khartum und hatten dort Arbeit, eine Wohnung und ihre eigene Stabilität gefunden, nachdem sie überstürzt weggegangen waren und bei null angefangen hatten. Jetzt erleben sie die gleiche Erfahrung umgekehrt: Sie haben wieder alles hinter sich gelassen und müssen ihr Leben von Grund auf neu aufbauen.“ 

Ein Land, das zwischen zwei verfeindeten Armeen geteilt ist 

Die Spannungen im Sudan waren nach einem Staatsstreich im Oktober 2021 latent vorhanden, aber niemand hatte erwartet, dass sie in so kurzer Zeit zu einem Konflikt eskalieren und sich zu einem offenen Krieg entwickeln würden, der die Stabilität der gesamten Region untergräbt. 

„Das Problem ist, wenn es zwei Armeen in einem Land gibt [die regulären Streitkräfte und die Rapid Support Forces (RSF) von General Dagalo]: Das Gleichgewicht ist gefährdet, eine der beiden neigt unweigerlich dazu, die Vorherrschaft zu beanspruchen und tut dies mit Waffengewalt. Genau das ist hier passiert [der Bürgerkrieg zwischen der Armee, die loyal zu Präsident Salva Kiir steht, und den bewaffneten Milizen unter dem Kommando von Rieck Machar, NDLR]. Außerdem sagen die Leute hier: „Sie haben von uns gelernt.“ 

Die Präsenz anderer bewaffneter Gruppen als der regulären Armee führt, wie Schwester Elena erklärt, zu starken Spannungen. So in Russland mit dem Coup der Wagner-Truppen von Jewgeni Prigogin. Die Söldnermiliz ist ständig in Afrika vertreten und nach Meinung vieler Beobachter auch in den Sudankonflikt verwickelt, aller Wahrscheinlichkeit nach unterstützt sie die RSF. Einige schließen jedoch nicht aus, dass sie auch die Armee unterstützen könnte. Schwester Elena: „In der Wüste Darfur (eine der am stärksten vom Konflikt betroffenen Regionen) gibt es keine hochentwickelten Waffen, sie stammen aus einer anderen Quelle. Es ist bereits sehr schwierig, zwischen zwei Konfliktparteien zu vermitteln, umso mehr, wenn mehr Akteure beteiligt sind.“ 

Dass es überhaupt noch möglich ist, ein Minimum an Hilfe für die Zehntausenden von Flüchtlingen, die in den Südsudan kommen, zu verwalten, ist der Arbeit internationaler Organisationen und kleinerer Organisationen wie der Diözesancaritas oder der Caritas Südsudan zu verdanken. 

„Glücklicherweise“, erklärt Schwester Elena, „erhalten wir internationale Unterstützung. Vor kurzem sind Mitglieder der Caritas Österreich gekommen, um uns mit extremer Großzügigkeit zu helfen. Wir helfen so viel wie möglich konkret, wir haben ein Boot zur Verfügung gestellt, das die Menschen von der Grenze bis hierher bringt, indem es auf dem Nil fährt. Etwa 2.000 Menschen sind auf diese Weise angekommen. Anschließend verteilen wir in den Transitlagern lebensnotwendige Güter. Leider sehen wir jeden Tag, wie Menschen an Hunger oder Entbehrungen sterben, manche sogar schon auf der Reise. Deshalb rufe ich über Fides zu Hilfe über die Caritas-Kanäle auf, die sich für die Vertriebenen aus dem Sudan, dem oberen Nil und dem Südsudan engagieren.“