Der Ölberg und jüdische Siedlungsprojekte

Quelle: FSSPX Aktuell

Ölberg mit dem Garten Gethsemane und dem jüdischen Friedhof

Die kürzlich erfolgte Einsetzung der sechsten Regierung unter Benjamin Netanjahu hat dem Plan jüdischer Fundamentalisten, den Ölberg zu besiedeln, neues Leben eingehaucht. Letztendlich ist durch ein derartiges Vorgehen auch die christliche Präsenz im Heiligen Land bedroht.

Der Ölberg, der gegenüber der al-Aqsa-Moschee liegt, ist wahrscheinlich einer der markantesten Orte Jerusalems: Er ist der Ort des Todeskampfes Christi und seiner glorreichen Himmelfahrt zur Rechten des Vaters und beherbergt noch immer einen der heiligsten jüdischen Friedhöfe Israels. Gemäß der Prophezeiung von Sacharja (14,4) wird dort die Parusie stattfinden. 

Der Ölberg ist auch einer der wenigen Orte in Ost-Jerusalem, der noch nicht unter der Kontrolle israelischer Siedler steht: Aber wie lange noch? Denn es scheint eine Art Übernahme geplant zu sein, allerdings unter dem Vorwand, einen Nationalpark einrichten zu wollen. Doch im Gegensatz zu den Palästinensern, denen im Falle einer Enteignung nur sehr wenige Rechtsmittel zur Verfügung stehen, gehören die rund ein Dutzend Heiligtümer auf dem Ölberg entweder dem Heiligen Stuhl oder verschiedenen „orthodoxen“ Patriarchaten, die sich nicht alles gefallen lassen wollen. 

Um ihre Ziele zu erreichen, stützen sich die jüdischen Siedler dagegen auf Elad, eine Organisation, die in Tourismus und Archäologie investiert, um „die jüdische Verbindung zu Jerusalem zu stärken“, und die zufällig von dem russischen Milliardär Roman Abramovich finanziert wird. 

So hat Elad in den letzten zwei Jahrzehnten mehrere Ausschreibungen gewonnen, um unter der Kontrolle der israelischen Behörde für Natur und Parks (INPA) Orte in Jerusalem zu betreiben und zu entwickeln. All dies geschah durch die Enteignung zahlreicher Palästinenser aus ihren Häusern. 

Im Februar letzten Jahres berichtete The Times of Israel, dass ein Projekt zur Erweiterung der Grenzen des bestehenden Nationalparks um einen Streifen des Ölbergs in Prüfung sei und auf die Genehmigung durch die Stadtplanungskommission der Stadtverwaltung warte. Das lateinisch-katholische Patriarchat protestierte daraufhin heftig, und die Angelegenheit kam an diesem Punkt nicht weiter. Bis Anfang 2023, als die neue Regierung von Benjamin Netanjahu, die am weitesten rechts stehende Regierung in der Geschichte des Landes, ihr Amt antrat. 

Laut der Website der Jerusalemer Stadtverwaltung ist der Plan für den Ölberg wieder aktuell geworden. Vorgesehen ist ein „Spazierweg“ für jüdische Pilger zum heiligen Friedhof, anlässlich dessen das Erntedankfest (Sukkot) gefeiert werden soll. Der Weg führt über Grundstücke des lateinischen Patriarchats. In diesem Zusammenhang sollen die Schwestern der Heiligen Elisabeth, die ein Waisenhaus betreiben, zumindest teilweise enteignet werden. 

Die Leiter der verschiedenen christlichen Konfessionen, die auf dem Ölberg vertreten sind, schlagen Alarm. Denn wenn die jüdischen Siedler ihren Zugriff verstärken, wird der Zugang zu den Heiligtümern gefährdet und die jährliche Palmsonntagsprozession wird in Frage gestellt. 

„Das ist Greenwashing, ganz einfach. Es wird bedeuten, dass die christliche Präsenz auf dem Berg auf die Mauern der Kirchen beschränkt wird und die Siedler alles andere kontrollieren“, warnt Daniel Seidemann, Anwalt und Gründer der NGO Terrestrial Jerusalem, die die politischen Auswirkungen der Stadtentwicklung in der Stadt analysiert. 

Leider zeigen die Christen in dieser heiklen Angelegenheit keine einheitliche Front. In der Vergangenheit wurden die „Orthodoxen“ von den Palästinensern beschuldigt, mit den jüdischen Siedlern zu kollaborieren, da sie bereit waren, ihnen Eigentum und Land zu verkaufen oder zu verpachten. 

Die Präsenz der Christen in Jerusalem ist mehr denn je bedroht, und das Schweigen der Medien, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzen, ist erstaunlich. Obwohl jedes Jahr mehrere Millionen Pilger ins Heilige Land reisen, leben immer weniger Christen dort. Vor einem Jahrhundert stellten sie ein Viertel der Einwohner Jerusalems, heute sind es weniger als zwei Prozent. Und wie geht es weiter?