Klischeehafte Wahrnehmung der Kirche im Kino

Quelle: FSSPX Aktuell

Pater Edgardo Mortara und seine Mutter

In Cannes wurde bei den Filmfestspielen ein antichristlicher Propagandafilm gezeigt. Der Streifen soll am 8. November 2023 in die Kinos kommen und feierte auf dem ‚Boulevard de la Croisette‘ seine Premiere.

Der Film des italienischen Regisseurs Marco Bellocchio soll ganz offensichtlich dazu dienen, die düsteren Legenden über die Kirche zu nähren. Das Machwerk mit dem Titel „Rapito“, auf Deutsch „Die Entführung“, basiert auf dem Buch „Il caso Mortara“ (Der Fall Mortara), das 1996 im Mondadori Verlag erschienen ist. Darin geht es um ein jüdisches Kind namens Edgardo Mortara, das 1852 ohne das Wissen seiner Eltern im Kirchenstaat getauft wurde. Mortara wuchs als Katholik unter dem Schutz von Papst Pius IX. auf, der die verzweifelten Bitten seiner Eltern um seine Rückkehr ablehnte; schließlich wurde Mortara Priester. Er starb als Chorherr der Lateranensischen Chorherren im belgischen Lüttich. 

Schon der Trailer zum Film betont das Melodramatische und Geheimnisvolle des seinerzeitigen Cause célèbre, die Wahrheit und Realität werden zweitrangig: Man sieht einen Geistlichen, der nachts bei Fackelschein und in Begleitung von Wachen loszieht, um ein sechsjähriges Kind aus den Armen seiner Eltern zu reißen. Eine historisch übrigens falsche Version, die von Edgardo Mortara selbst in seinen 1888 in kastilischer Sprache verfassten Memoiren widerlegt wurde. 

Diese unveröffentlichten Memoiren wurden 2005 ins Italienische übersetzt und in einem von Vittorio Messori herausgegebenen Buch veröffentlicht, das den italienischen Titel „Io, il bambino ebreo rapito da Pio IX“ [Ich, der von Pius IX. entführte jüdische Junge. Die unveröffentlichten Memoiren des Protagonisten der Mortara-Affäre] trägt. In dem Buch widerlegt das „entführte“ Kind Punkt für Punkt alle Unwahrheiten, die sich mehr als 130 Jahre später leider in „Rapito“ wiederfinden. 

Der tatsächliche Hintergrund der ganzen Geschichte: Edgardo Mortara wurde 1851 in eine jüdische Familie geboren, die im Kirchenstaat lebte. Die Familie hatte ein katholisches Dienstmädchen eingestellt und damit gegen das damalige Zivilrecht verstoßen, das Juden verbot, christliche Dienstboten in ihren Diensten zu haben. Als Edgardo ein Jahr alt war und an plötzlichem Fieber erkrankte, taufte das katholische Dienstmädchen das Kind heimlich. Edgardo überlebte das Fieber, und der Taufvorgang kam erst sechs Jahre später ans Tageslicht. Die Verwaltung des Kirchenstaates wurde entsprechend benachrichtigt und suchte nach einer Friedens- und Schlichtungslösung mit der Familie Mortara. 

So wurden mehrere Vermittlungsversuche unternommen. Da Kind durch seine Taufe Mitglied der Kirche geworden war, sollte es einerseits eine katholische Ausbildung erhalten, aber es sollte nicht vom Elternhaus getrennt werden. Die Eltern sollten sich im Gegenzug verpflichten, Edgardo die Freiheit zu geben, die katholische Religion ausüben zu können. Die Mortaras lehnten jedoch eine Schlichtung ab, woraufhin ihnen die Verwaltung des Kirchenstaates das Sorgerecht entzog. Das Kind wurde in eine katholische Einrichtung verbracht. Edgardo entschied sich später dafür, Priester zu werden und wurde 1873 geweiht. 

Auch heute noch nimmt sich der Staat in einigen schmerzlichen Fällen die Macht heraus, Kinder aus der Obhut ihrer Eltern zu nehmen, um sie vor einem mutmaßlichen moralischen oder physischen Schaden zu bewahren. Niemand stellt diese staatliche Schutzfunktion in Frage. 

Die Kirchenstaaten wandten diese Funktion gemäß den für sie geltenden Kirchengesetzen an, und man müsste schon böswillig sein, wenn man der Kirche vorwerfen würde, vor 130 Jahren das getan zu haben, was moderne Demokratien mit ihren Grundsätzen auch heute noch zulassen. 

Doch der Osservatore Romano widmete dem Film am 30. Mai 2023 einen Artikel unter der vielsagenden Überschrift „Drama der Freiheit und Ungerechtigkeit der Welt“. Andrea Monda beschreibt darin „einen ergreifenden Film, in dem wir alle Hauptfiguren mehrmals zu Tränen gerührt sehen und auch das Publikum angesichts einer Geschichte, die ebenso dramatisch wie ungerecht ist.“ 

Pius IX. wird von dem Journalisten als ein Papst dargestellt, der „fast ungläubig begriff, dass er der letzte Papstkönig war, der hilflos das Ende seiner Herrschaft betrachtete, mit einem Groll, der ihn dazu brachte, immer mehr Macht über Personen und Eigentum auszuüben, bis zu dem Punkt, an dem er glaubte, rechtmäßig zu handeln, indem er Edgardo im katholischen Glauben unterrichtete.“ 

Angesichts dieser Unterstellungen sollte man zu den weisen Ratschlägen zurückzukehren, die Papst Pius XII. 1957 in Miranda Prorsus, der ersten Enzyklika über Film und Fernsehen, gab: „Film, Radio und Fernsehen müssen der Wahrheit und dem Guten dienen. (...) Bei der Beurteilung des Inhalts und der Darstellung eines Films muss man sich von den mehrmals von Uns dargelegten Normen inspirieren lassen, insbesondere von jenen, die religiöse Themen, die Darstellung des Bösen und die Achtung vor dem Menschen, der Familie und ihrer Heiligkeit, der Kirche und der Zivilgesellschaft betreffen.“ Davon ist die heutige Medienlandschaft gelegentlich weit entfernt.